Es gibt einen kleinen, stillen Ort, an dem das Private noch Raum hat. Man schließt die Tür ab, ohne dass jemand es merkwürdig fände. Hierhin entschuldigt sich der Partygast höflich, wenn der Gesprächspartner ihn allzu langweilt, oder flüchtet die Büroangestellte, um ihren Tränen freien Lauf zu lassen, ohne dass die Kollegen es bemerken. Einfach mal kurz allein sein, tief durchatmen und intimen Gedanken nachhängen, das geht oft nur im Bad.

Anne-Christin Sievers
Redakteurin in der Wirtschaft.
Die Nasszelle schafft auf wenig Quadratmetern eine Intimsphäre für Körper und Seele. Diese kulturelle Errungenschaft ist jedoch jung. Das Bad als Rückzugsort, wie wir es kennen, gehört nur seit etwa einem halben Jahrhundert zur deutschen Standardwohnung. Viele Jahrtausende lang war Baden ein öffentliches Ritual, Badehäuser galten nicht nur als Ort der Körperpflege, sondern auch als gesellschaftlicher Treffpunkt. Menschen entblößten sich beim Baden voreinander, lagen an beheizten Orten gemeinsam im warmen Wasser – und schämten sich gar nicht dafür.

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Den frühesten Kulturen war das Bad bekannt: So gab es im mesopotamischen Mari in den Privaträumen der Herrscherin schon 2000 vor Christus ein Badezimmer mit Ofen zum Erwärmen von Wasser, zwei kleine, halb in den Boden eingelassene Badewannen aus Ton sowie eine Art Dusche. Im antiken Griechenland betrieb man kleine öffentliche Badeanlagen, die beheizbar und mit Sitzwannen, offenen Becken und Schwitzbädern ausgestattet waren. Die Römer bauten prunkvolle Thermen im XXL-Format, in denen bis zu 1000 Personen Platz fanden, mit Bibliotheken, Läden und Friseuren, Faustballplätzen und Bordellen. Warmluftheizungen, die Hypokausten, in Ziegelböden und Wänden sorgten für angenehme Temperaturen. Das Baden war Bestandteil des öffentlichen Lebens, hier wurden Geschäfte und Politik gemacht.
Nach dem Untergang des Römischen Reiches ging es mit dem öffentlichen Badewesen bergab – auch weil der christlichen Kirche die antike Badekultur ob ihrer Freizügigkeit nicht behagte. Erst im Mittelalter erlebten die Badestuben ein Comeback, allerdings als halbseidene Vergnügungsstätten: Hier wurde gegessen, getrunken, musiziert, vom Bader Blutegel gesetzt und kleine chirurgische Eingriffe durchgeführt; es wurde dem Glücksspiel und amourösen Tändeleien gefrönt. Grund genug für die Kirche, das gemeinsame Baden von Männern und Frauen im 15. Jahrhundert zu verbieten. Hinzu kamen Pest und Seuchen, die sich ab dem 14. Jahrhundert in den mittelalterlichen Städten verbreiteten.
